28.05.2020
Coworking in der Corona-Krise
von Rüdiger Klatt, Lisa Meyer, Carla Lohre, Benjamin Wenderlich
Das Corona Virus hat auch das Projekt CoWin und die beiden Coworking Spaces im Wissenschaftspark Gelsenkirchen und im Design Haus Marl kalt erwischt. Im Arbeitsleben sorgt Corona für erhebliche Einschränkungen, Unsicherheiten und Belastungen. Davon sind natürlich die Nutzer*innen des NewWorkLab und des Designhaus Marl massiv betroffen, aber auch das FIAP e. V., die Wissenschaftspark GmbH und das Designhaus Marl, die das CoWin-Projekt unterstützen und begleiten, stehen vor neuen Herausforderungen.
Mit Blick auf die wissenschaftlichen Fragestellungen will CoWin aus dieser Krise für die Zukunft lernen und hat daher eine kurze Befragung der Nutzer*innen initiiert. Vier Fragen wurden formuliert, um die für das Projekt wesentlichen Aspekte der Arbeit im Coworking Space während einer Pandemie oder auch einer sonstigen Krise zu beleuchten. Die Nutzer*innen wurden um ein kurzes Statement zu diesen Fragestellungen gebeten. Ziel der kleinen Befragung war es, ein erstes Stimmungsbild zu gewinnen und Hinweise auf mögliche Konsequenzen der derzeitigen Entwicklungen für das „Arbeiten und Lernen auf Distanz“ zu erhalten.
Konkret waren es folgende Fragestellungen, zu denen um ein eine kurzes Statement gebeten wurde:
- Wie und wo arbeiten Sie als Coworker jetzt in der aktuellen Corona-Krise? Gehen Sie weiter in das NewWorkLab oder in das Designhaus Marl? Wenn ja, welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
- Was glauben Sie wird sich in Ihrem Arbeitsleben nach der Corona-Krise ändern? Ändert sich überhaupt etwas?
- Welche Vorkehrungen müssten Ihrer Meinung nach im NewWorkLab und im Designhaus Marl in Zukunft getroffen werden, um auf ähnliche Ereignisse besser vorbereitet zu sein?
- Welche Auswirkungen wird Ihrer Meinung nach die Corona-Krise auf das Konzept des Coworkings haben? Bietet Coworking eher Vor- oder eher Nachteile in einer Krisenzeit, wie sie durch das Corona Virus hervorgerufen wurde?
Die Befragung erfolgte am 14. April 2020 per Email, eine Erinnerungsemail wurde am 22. April 2020 verschickt. Insgesamt wurden 28 Personen aus zehn unterschiedlichen Unternehmen kontaktiert, 14 Frauen und 14 Männer. Zehn Personen, fünf Männer und fünf Frauen, aus insgesamt fünf Unternehmen haben geantwortet.
Die beiden Coworking Spaces im Designhaus Marl und im Wissenschaftspark Gelsenkirchen waren für Probanden des Projekte CoWin und für die übrigen Mitglieder unter Einhaltung der Hygienevorschriften und Sicherheitsabstände geöffnet.
Befragte Personen insgesamt
· davon weiblich · davon männlich |
28
50% 50% |
Beantwortete Fragebögen
· davon weiblich · davon männlich |
10
50% 50% |
Unternehmen insgesamt | 10 |
Durch die Antworten erfasste Unternehmen | 5 |
Arbeitsorte in Zeiten von Corona (Frage 1)
Mit der ersten Fragestellung sollte erfasst werden, an welchem Ort die berufliche Tätigkeit, die Arbeit in der aktuellen Corona-Krise ausgeübt wird. Wichtig dabei: In aller Regel sind die Projektteilnehmer von CoWin erfahrene mobile ‚cloud worker‘, die es gewohnt sind, auch von zu Hause aus zu arbeiten.
Von den zehn Personen, die diese Frage beantwortet haben, haben alle, ohne Ausnahme, zum Zeitpunkt der Befragung, d.h. auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie, die beiden Coworking Spaces (und ihr eigenes Unternehmen) nicht aufgesucht und im Home Office gearbeitet, weil die jeweiligen Unternehmen unter den besonderen Herausforderungen der Corona Pandemie nur das Home Office erlaubten, interne Vorgaben machten oder darum gebeten haben, den Coworking Space nicht aufzusuchen. Rechnet man die Beschäftigten der beteiligten Unternehmen, von denen wir durch die Befragung explizit wissen, dass sie den Besuch der Coworking Spaces nicht wünschen, hoch, sind mindestens 16 CoworkerInnen betroffen. Es kann angenommen werden, dass weitere der insgesamt zehn Unternehmen das Arbeiten im Coworking Space nicht wünschen.
Alle Befragten arbeiteten zur Zeit der Befragung auch nicht im Unternehmen, sondern im Home Office – für die überwiegende Mehrheit ist das ein bereits bekannter und eingespielter Zustand. Arbeitsabläufe und -prozesse sind bei diesem Personenkreis bereits digitalisiert oder digitalisierbar. Statt Präsenztreffen und Face-to-face Gespräche halten sie Kontakt zu Kunden, KollegInnen und Vorgesetzten über Online-Meetings oder Telefonkonferenzen und arbeiten in der Cloud.
Zwei der befragen Personen bedauern es ausdrücklich, dass sie den Coworking Space nicht aufsuchen dürfen. Die Arbeit im Home Office gestaltet sich für sie schwierig, wegen der räumlichen Enge und vor allem wegen der fehlenden Kontakte zu und dem fehlenden Austausch mit den anderen CoworkerInnen.
Einer der Befragten berichtet, er habe zu Beginn der Krise noch gut im Coworking Space arbeiten können, die Einhaltung der Hygienevorschriften und des Sicherheitsabstands seien gerade in diesen Bereichen kein Problem gewesen. Erst auf Bitten des Arbeitgebers nach Verhängung der Ausgangsbeschränkungen (23.03.2020) ist er zu Hause geblieben und arbeitet im Home Office.
Gesamtzahl der Antworten | 10 |
aktuell nicht im Coworking Space | 100% |
davon aufgrund von Vorgaben des Arbeitgebers | 100% |
ausdrückliches Bedauern | 30% |
Änderungen des Arbeitslebens nach Corona (Frage 2)
Die zweite Frage zielt auf die erwarteten Veränderungen in der Arbeit nach der Corona-Krise ab. Auch auf diese Frage gibt es wieder insgesamt zehn Antworten. Auffällig ist, dass mehr als die Hälfte der Personen, die geantwortet haben, davon ausgehen, dass in Zukunft arbeitsbedingte Reisen abnehmen werden, dass grundsätzlich Arbeit weniger in Präsenzform, sondern mehr im Remote Modus erfolgen wird, dass Arbeit mehr im Home Office oder in Coworking Bereichen stattfindet. Einer der Befragten formuliert seine Sicht so:
Der Kontakt zu Kolleginnen und Kollegen erfolgt, neben den ohnehin üblichen digitalen Kanälen verstärkt über Videochats, die sich in der aktuellen Krise bereits bewährt haben und eingeübt sind. Dem Videochat wird der Vorzug gegeben. Ein Gesicht vor Augen zu haben ist bei der gemeinsamen Arbeit ein wichtiger Faktor. Auch mehr oder weniger private „Kaffee-Calls“ werden als Möglichkeit genannt, um auch den informellen Kontakt zu den Kolleginnen und Kollegen zu halten. Auch Fachmessen werden in Zukunft kleiner und fokussierter sein. Insgesamt sei die Akzeptanz von Home Office und mobiler Arbeit gestiegen, sowohl bei Arbeitgebern als auch bei den Beschäftigten. Die Corona-Krise hat nach Meinung der Befragten gezeigt, dass mobiles Arbeiten möglich und erfolgreich ist, bestehende Vorbehalte konnten bei vielen Betroffenen beseitigt werden.
Einer der Befragten weist darauf hin, dass Corona in vielen Unternehmen die „Arbeitsorganisation und IT-Sicherheit (…) mit Sicherheit auf den Prüfstand (stellt). Aber ohne echten Masterplan und entsprechende Investitionen wird sich der Status Quo kaum verbessern. Insbesondere „kleine“ Mittelständler werden das kaum bewerkstelligen können.“
Gesamtzahl der Antworten | 10 |
weniger Dienstreisen | 60% |
weniger Präsenz, mehr Remote | 60% |
Arbeiten und Kontakt halten über Telefon- und Videochats | 40% |
positive Entwicklung des Coworkings | 30% |
Überprüfung von Arbeitsorganisation und IT-Sicherheit | 10% |
Auswirkungen auf das Messegeschehen: kleiner und fokussierter | 10% |
Keine Änderungen | 10% |
Mehrfachangaben
Coworking und Corona: Welche Vorkehrungen sollten Betreiber treffen (Frage 3)
Zur Frage nach den erforderlichen Vorkehrungen, um auf ähnliche Ereignisse besser vorbereitet zu sein, gaben zwei Personen an, diese Fragestellung nicht beurteilen zu können, da sie in der Krise die Coworking Spaces nicht aufgesucht haben und den Stand der Dinge nicht kennen. Ansonsten spiegeln die restlichen acht Antworten die Empfehlungen des RKI wider bzw. die CoworkerInnen beziehen sich direkt auf diese Empfehlungen:
- hoher Hygienestandard, ausreichende Mittel für die Desinfektion der Arbeitsplätze zur Verfügung stellen: sechs Nennungen
„Sprühen und Wischen sollte seit Corona jeder können.“
- Abstand in den Räumlichkeiten einhalten, zum Beispiel durch Umstellen der Arbeitsplätze, grundsätzliche Reduzierung der Nutzerzahlen in Krisenzeiten: drei Nennungen
Als besonders positiv wurde von zwei Befragten hervorgehoben, dass das Designhaus Marl über Automatiktüren verfügt, die sich berührungslos öffnen und schließen, so dass kein Kontakt zu mit Keimen belasteten Türklinken erfolgen muss.
Auch die Frage nach dem Nutzungsmodell in Zeiten einer Pandemie – fixer oder der flexibler Arbeitsplatz – wurde von den befragten Coworkern gestellt. Einem fixen Arbeitsplatz wurde von zweien der Befragten der Vorzug gegeben, da die Ansteckungsgefahr dann geringer sei.
Das Thema Maskenpflicht in bestimmten Bereichen und Situationen, gültig ab dem 27. April 2020, wurde erst zum Zeitpunkt der Erinnerungsmail aktuell, es spielt bei den Antworten, bis auf eine Ausnahme, noch keine Rolle. Nur eine Befragte erwähnt, dass sie es nicht beurteilen kann, ob die neue Maskenpflicht für bestimmte Tätigkeiten (z. B. Einkauf) für das Arbeiten im Coworking Space relevant ist.
Zum Zeitpunkt dieses Berichtes (Mitte Mai 2020) besteht im NewWorkLab im Wissenschaftspark Gelsenkirchen und im Designhaus Marl keine Maskenpflicht. Freiwillig kann natürlich eine (Alltags)Maske getragen werden.
Gesamtzahl der Antworten | 10 |
Beurteilung der Frage nicht möglich | 20% |
Ausreichende Hygiene | 60% |
Abstandsregelungen | 30% |
Automatiktüren | 20% |
Vorteil fester Arbeitsplatz | 20% |
Maskenpflicht angesprochen | 10% |
Mehrfachangaben
Auswirkungen der Coronakrise auf das Arbeitsmodell Coworking (Frage 4)
Wie werden die Erfahrungen mit der Corona-Krise das Konzept des Coworkings beeinflussen? Um diese Fragestellung geht es in der letzten Frage. Die Befragten vergleichen Coworking Bereiche im Zusammenhang mit gesundheitlichen Krisen, insbesondere bei Ansteckungskrankheiten, wie ein Großraumbüro. Das Risiko einer Übertragung steht im Vordergrund. Der Arbeitgeber wird in der Pflicht gesehen, Entscheidungen zu treffen oder auch den Beschäftigten die Entscheidung zu überlassen, wo sie arbeiten möchten: am festen Arbeitsplatz im Unternehmen (wenn umsetzbar), mobil in einem Coworking Space oder im Home Office.
Die Arbeit in einem Coworking Space wird auch in Krisenzeiten durchaus positiv gesehen, vorausgesetzt die Hygiene- und Abstandsregelungen können eingehalten werden und werden auch befolgt. Mehr mobiles Arbeiten setzt mehr technisches Equipment voraus – da bietet der Coworking Space Vorteile. Weitere angeführte Vorteile des Coworkings im Vergleich zum Home Office auch in Krisenzeiten sind der Austausch zur Krisensituation und dadurch mehr Inspiration zum Umgang mit der Lage, mehr Ruhe, besseres konzentrierteres Arbeiten, mehr Platz. Aber auch die dauerhafte Arbeit im Home Office ist für die Befragten gut vorstellbar, einige arbeiten schon längere Zeit erfolgreich von zu Hause aus. Das Arbeiten am regulären Arbeitsplatz im Unternehmen scheint für die Befragten Personen keine Notwendigkeit mehr zu haben, alle sind bereits flexible und mobile Beschäftigte, die remote work gewohnt sind.
Als Verbesserungsvorschläge für die Einrichtung von Coworking Bereichen wurden mobile Trennwände und das Angebot von Headsets für Telefonate genannt, ein Hinweis für zukünftige Betreiber.
Gesamtzahl der Antworten | 10 |
Coworking Space gut vorstellbar | 70% |
Home Office gut vorstellbar | 30% |
Beides hat Vor- und Nachteile | 20% |
Keine Auswirkungen | 10% |
Mehrfachangaben
Fazit und Schlussfolgerungen
Die Corona-Krise hat auch den Markt der Coworking-Dienstleister getroffen. Das Handelsblatt erwartet laut einem Bericht vom 27.05.2020, „dass viele kleinere Anbieter untergehen. Unter den mehr als 400 Coworking-Firmen (in Deutschland) sind viele, die nur eine oder zwei Immobilien mit Gemeinschaftsbüros für Freiberufler oder kleine Unternehmen anbieten.“ Stephan Leimbach, Coworking-Spezialist beim Immobilienberatungshaus JLL in Frankfurt ist der Meinung, dass es zu einer Ausdünnung komme und wirtschaftlich schwache Coworking-Anbieter es schwer haben werden.
In der Krise liegen somit Gefahren, aber auch Chancen für innovative und professionelle Anbieter, die ihre Dienstleistung – vor allem im Bereich Arbeits- und Gesundheitschutz – weiterentwickeln. Denn mittel- und langfristig wird sich der Trend zu flexibler Arbeit und flexiblen Büros nach Auffassung der meisten Experten eher verstärken – angeschoben auch durch die Corona-Krise.
Eine repräsentative Befragung unseres Modellpartners ESET zeigt z.B., dass zum Höhepunkt der Krise 41 Prozent der Beschäftigten von zu Hause gearbeitet haben. „68 Prozent der Beschäftigten wünschen sich eine Lockerung der Regelungen. Sie wollen entweder mindestens einen Tag in der Woche von zu Hause arbeiten (29 Prozent), flexibel entscheiden können, ob sie im Heimbüro oder in der Dienststelle tätig sind (31 Prozent).“ [1]
Die Akzeptanz für flexible Arbeit von zu Hause steigt also schon einmal. Da Homeoffice aber auch Nachteile (Vereinsamung, Störungen der Work-Life-Balance, Tendenz zu Mehrarbeit, semiprofessionelle Ausstattung) hat, spricht einiges alternativ auch für die Nutzung des wohnortnahen Coworking-Spaces.
Dazu müssen Arbeitgeber und Beschäftigte in Bezug auf die Ausstattung und Dienstleistungen möglichst optimale Bedingungen vorfinden. Das gilt ‚nach Corona‘ nicht nur für smarte Technik, Organisation und soziale Qualität, sondern verstärkt auch in Bezug auf sichere und gesunde Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen.
Aus der Sicht unserer Befragung müssen Betreiber von Coworking-Spaces – coronabedingt – folgendes anbieten:
- einen sicheren und gesunden Zugang – berührungslos und automatisiert;
- geschützte Arbeitsplätze auf Abstand;
- ein schlüssiges Hygienekonzept (Abstandsregel, regelmäßige Desinfektion, Verhaltensregeln), das umgesetzt und „gelebt“ wird;
- ein Konzept für Krisenfälle (Übersicht über Anwesenheiten der Coworker, Informationen und Mailings im Krisenfall);
- eine smarte Übersicht über Belegung und Nutzungsintensität der Arbeitsplätze;
- regelmäßige Kontrollen und Betreuung der Coworker, idealerweise durch den Betreiber oder einen Community-Manager.
Dann bietet Coworking pendelnden Beschäftigten einige Vorteile gegenüber dem Office zu Hause und der Arbeit im „normalen Büro“, die herausgearbeitet und kommuniziert werden sollten.
[1] https://www.eset.com/de/about/presse/pressemitteilungen/pressemitteilungen/corona-effekt-68-prozent-der-beschaeftigten-wollen-nach-der-krise-nicht-dauerhaft-zurueck-ins-buero/